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Delphine Cascarino sah gegen die deutsche Abwehr um Franziska Kett kaum einen Stich.

© Imago/Eibner

Mut zur Jugend: Wie Christian Wück den deutschen Frauenfußball neu denkt

Beim 1:0 gegen Frankreich setzt der Bundestrainer auf viele junge Spielerinnen. Die zahlen es ihm mit starken Leistungen zurück.

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Die Presskonferenz in den Katakomben der Düsseldorfer Arena neigte sich dem Ende, als Christian Wück noch einmal das Wort ergriff. Der Bundestrainer hatte zwar schon vorher betont, wie gut gerade die jungen Spielerinnen im deutschen Nationalteam am Freitagabend gespielt hatten. Trotzdem wollte er nochmals die Wichtigkeit der deutschen Talentförderung hinsichtlich der Fußball-WM 2027 unterstreichen.

„Weiß jemand im Raum, wie unsere U 19 heute gespielt hat“, fragte Wück in die Runde. Als er kurz darauf die Antwort erhielt, dass der Nachwuchs mit 3:0 Norwegen besiegt hatte, konnte er sein Schlusswort zufrieden abrunden. „Wir haben das perfekte Wochenende: Die U17 und die U 19 haben gewonnen, die U 23 hat gegen England gewonnen, wir haben gewonnen.“

Der 52-Jährige verbrachte elf Jahre seiner Trainer-Karriere im männlichen Nachwuchsbereich des DFB und trainierte dort diverse U-Teams. Es ist also nicht wirklich überraschend, dass er auch im A-Nationalteam der Frauen jungen Spielerinnen regelmäßig Einsatzzeit gibt. Schon unmittelbar nach dem Ausscheiden bei der EM im Sommer in der Schweiz hatte er gefordert, dass es für eine goldene Zukunft des deutschen Frauenfußballs mehr junge Talente wie Franziska Kett oder Carlotta Wamser braucht.

Trotzdem gehört eine Portion Mut dazu, selbst dann auf solche Spielerinnen zu setzen, wenn ein Halbfinale in der Nations League gegen Frankreich ansteht, das vor individueller Qualität nur so strotzt. „Franzi Kett ist glaube ich mittlerweile keine große Überraschung mehr. Das war für mich heute eine top top top Leistung“, sagte Wück über die Spielerin des FC Bayern, die am Freitag beim 1:0-Sieg des deutschen Teams ihren 21. Geburtstag feierte.

Camilla Küver gab ihr Debüt im Nationalteam

Es ist nicht selbstverständlich, eine Spielerin wie Delphine Cascarino mit internationaler Klasse kaum ins Spiel kommen zu lassen. Nur einmal leistete sich Kett einen kleinen Aussetzer, als sie bei einem Freistoß unter dem Ball hindurchsprang und Cascarino so zu einer der beiden Chancen Frankreichs kam. Kett war darüber hinaus aber auch in der Lage, sich immer wieder ins Offensivspiel miteinzuschalten. Sie kreierte eine Großchance von Nicole Anyomi und hatte selbst drei Torabschlüsse.

Eine ebenso starke Leistung lieferte Camilla Küver in der Innenverteidigung ab, die die gesperrte Janina Minge ersetzte. Die Wolfsburgerin gab in Düsseldorf ihr Debüt im A-Nationalteam. Wäre alles normal gelaufen, wäre die 22-Jährige wohl schon früher zu ihrem ersten Länderspiel gekommen. Zahlreiche Verletzungen wie ein Kreuzband- oder Meniskusriss bremsten sie aber immer wieder aus. „Seit dieser Saison ist sie endlich fit und athletisch auf einem sehr hohen Level“, sagte Wück.

Camilla Küver überzeugte in ihrem ersten Länderspiel komplett.

© Imago/ActionPictures

Die Debütantin selbst musste den Abend erstmal sacken lassen. „Ich war lange raus, aber jetzt lief es gut im Verein, ich konnte viel spielen und dort meine Qualitäten zeigen. Dass es sofort für die Nationalmannschaft und sogar die Startelf reichen würde, ist natürlich sehr besonders.“

Küver absolvierte beim VfL sechs von sieben Bundesliga-Spielen über die vollen 90 Minuten und war auch in der Champions League gesetzt. „Wir wollten ihr die Möglichkeit geben, das auch bei uns zu zeigen. Wir wollen jungen Spielerinnen das Vertrauen geben, denen wir es zutrauen, auf diesem Niveau Fußball zu spielen“, meinte Wück. „Das hat sie heute über 90 oder 97 Minuten zurückgezahlt und eine top Leistung gezeigt.“

Wir wollen jungen Spielerinnen das Vertrauen geben, denen wir es zutrauen, auf diesem Niveau Fußball zu spielen.

Christian Wück

Franziska Kett und Giulia Gwinn waren ebenfalls voll des Lobes über Küver, die eine Passquote von 81 Prozent vorweisen und fünf ihrer sechs Bodenzweikämpfe gewinnen konnte. Schon nach wenigen Minuten verhinderte sie den Rückstand, als sie in letzter Sekunde einen Schuss von Kadidiatou Diani blockte.

Küver zeichnete sich zudem durch ihr herausragendes Aufbauspiel aus. Mehrmals überspielte sie die das französische Pressing mit klugen vertikalen Pässen. „Es ist natürlich immer was Besonderes, wenn man das erste Natiospiel macht. Wenn man dann so performt, ist das herausragend“, sagte Kapitänin Gwinn. „Wir sind sehr stolz drauf, dass man sie reinwirft und sie mit solch einer Selbstverständlichkeit da ist.“

Ebenso wie Kett und Küver spielte auch Carlotta Wamser die 90 Minuten durch und rückte von der rechten Außenbahn eine Position nach hinten, als Gwinn ausgewechselt wurde. In der Schlussphase brachte Christian Wück zudem Cora Zicai und Alara und vertraute damit zwei weiteren jungen Spielerinnen, das Ergebnis über die Zeit zu bringen.

Und so verlieh der Bundestrainer am Freitagabend seinen Ankündigungen, mehr Talente in Deutschland ausbilden und integrieren zu wollen, weiter Nachdruck. Dass Kett, Küver und Co. nach diesen Auftritten im Halbfinal-Rückspiel am Dienstag in Caen (21.10 Uhr/ZDF) nicht wieder die Chance bekommen, erscheint daher wenig wahrscheinlich.

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